FAZ verkennt mal wieder die Situation der Piratenpartei
Von Carsten
Gestern hab ich den Artikel “Die Piraten – Eine Partei wie die anderen auch” bei der FAZ gelesen, der mal wieder zeigt, dass die meisten Leute die aktuelle Situation rund um die Piratenpartei (oder besser: die aktuelle Situation, die sich gerade durch die Piratenpartei zeigt) völlig verkennt. Aber erstmal zu den guten Teilen des Artikels.
Der Autor Georg Paul Hefty schreibt:
Die Parteiengeschichte hat eine Grundregel: Nicht Parteigründer schaffen sich die Umstände, sondern die Umstände schaffen sich aussichtsreiche Parteien.
Damit ist die Kernaussage zusammengefasst: Die Situation schafft die Partei. Nicht ein Sonderling, der gern mal Politik machen möchte, schaffte die Piratenpartei. Nicht ein Anhänger der Netzgemeinde rief die Partei ins Leben. Das ist alles Unsinn oder seichtes Aufbereiten für die Konsumenten von Spiegel Online oder eben FAZ. Die Piratenpartei entstand, weil einige Leute mit der Situation rund um The Pirate Bay, der Verbreitung von Inhalten im Internet, der immer stärker werdenden Kontrolle und ÃÂberwachung im Netz und auch der Einschränkung der Meinungsfreiheit allgemein unzufrieden waren.
Danach kommt noch ein weiterer treffender Punkt:
Das Ausgreifen des Computers und des Internets in alle Arbeits- und Lebensbereiche und die Prägung des menschlichen wie zwischenmenschlichen Alltags durch die Informationstechnologie haben einen gesellschaftspolitischen Leerraum eröffnet, den die bisherigen Parteien allenfalls partiell erkannt, jedenfalls programmatisch nicht verarbeitet haben.
Jetzt schreibt der Autor also in seinem ersten Satz bereits die Kernaussage auf und lässt auch in den folgenden Absätzen eine gewisse Einsicht erkennen. Und trotzdem hinterlässt das Fazit bei mir wieder einen faden Geschmack auf den Augen:
Computer sowie Daten- und Freundschaftsnetze werden – in welcher Form und auf welcher Entwicklungsstufe auch immer – die nächsten Jahre alltäglich bestimmen. Damit wird auch die Mentalität erhalten bleiben, im Netz habe alles frei zu sein und sei umsonst zu haben, von Lexikon- und Wirtschaftsinformationen bis zu Liebesverbindungen. Insoweit sind die Piraten eine Partei der Umverteilung von den Habenden zu den Habenwollenden, von den Bindungen zu den Freiheiten – so wie es alle anderen Parteien auch immer sind.
Sieht der Autor die Piraten als Meute von Internetnutzern, denen es eigentlich nur um die kostenlosen Downloads von neuen Musikalben und Kinofilmen geht? Ich frage mich, wie man auf so ein Fazit kommt, wenn man doch vorher im Text klar gemacht hat, dass die Piratenpartei aus der Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation entstanden ist. Ist dann die Beseitigung des Status Quo (“im Netz habe alles frei zu sein und sei umsonst zu haben”) nicht gerade das erklärte Ziel der Piratenpartei?
Ich bin verwirrt. Nicht von dem Text, sondern von Leuten, die die Piratenpartei immer noch als Protestbewegung verstehen und nicht als Indikator für eine kulturelle Äderung, die in der gesamten Bevölkerung passiert und nicht nur bei einigen Jugendlichen, die einfach alles runterladen, was sie irgendwo als Torrent finden…